Regionalkrimi - Gastrezension von Lienz * Goldener Schuss von Stefan Schweizer

21 Februar 2016

Überzeugt sofort

Wem das Sub-Genre Regionalkrimi bislang suspekt war, der sollte einfach einen Selbstversuch wagen und sich Stefan Schweizers Goldener Schuss einverleiben. Danach wird er auf jeden Fall den Autor mögen, meine Hand im Feuer.

Hier ohne Umschweife, warum mir dieser Krimi so ausnehmend gut gefällt:

Das ganz Besondere an diesem Roman sind die charakteristische Erzählstimme und die innovative Darstellung. Die positive Wucht der sprachlichen und textlichen Gestaltung trifft so gut wie alle meine Krimilesersinne: den für Spannung und für Humor, den Gesichtssinn, den imaginären Gehörsinn, den Rätselsinn und nicht zuletzt den Gerechtigkeitssinn.


Jetzt im Einzelnen:

Das hier ist kein „cozy mystery“. Obwohl der harte Ermittler durchaus kuschelt. Mit der Gattin des Polizeipräsidenten.

Der Ermittler:

Enzo Denz ist Italo-Deutscher und „private eye“, der in bester Philip-Marlowe-Manier die Drogen-, Rocker- und Rotlichtszene im beschaulichen Ravensburg aufmischt. Und zwei  abstoßende Verbrechen aufklärt. Enzo täuscht und tarnt, teilt kräftig aus, steckt ebenso kräftig ein und ist ein ganz und gar harter Knochen. Fast ein Harry Hole, nur nicht so düster. Ein Krimi-Sahneschnittchen sozusagen. Zum Gernhaben, Mitleiden und breit Grinsen ob des subtilen Humors.

Enzo ermittelt im rechtlichen (Dunkel-)Graubereich, sein Credo ist Goethes Erlkönig: „… bist du nicht willig, so brauche ich Gewalt“. Er geht jedes nur erdenkliche Risiko ein. Weil er Prinzipien hat, für die er mit seinem Leben eintritt. Weil er mit Artillerie und gestähltem Body bestens dafür gerüstet ist. Dabei ist er den leiblichen Genüssen keinesfalls abgeneigt. Zur Entspannung zieht er gern mal eine Tüte durch. Wenn er Stress hat, killt er beim Autofahren eine Dose Bier. Und er ist eine treue Seele: gegenüber seiner Giulia, seiner Freundin und dem besten Kumpel.

Der Fall:

In seinem ersten Fall ermittelt er nach dem Drogentod einer hübschen jungen Frau mit Migrationshintergrund. Hinter ihrem goldenen Schuss vermutet er sofort einen Mordkomplott und ermittelt weiter. Ohne Auftrag. Sieh da, er stößt auf stinkend-dreckige Geschäfte und involvierte Kreise, die keiner in der oberschwäbischen Stadt vermuten würde. Dass er sich dabei mehr als ein blaues Auge holt, versteht sich von selbst.

Fazit zum Ermittler:

Ein Sahneschnittchen, dieser Enzo Denz. Stefan Schweizer zeichnet seinen Hauptcharakter gerade so überzogen, dass Enzo zum hard-bolied Asphaltcowboy wird, nur seiner eigenen Rechtsauffassung verpflichtet. Ein Typ mit Charisma, der mich im Handumdrehen erobert. Auch weil er all das tut, was man eigentlich nicht macht. Er steckt ein. Mächtig. Und dann teilt er aus. Kräftig.

Meiner Meinung nach sind da Parallelen zur Romanfigur Harry Hole. Aber ohne Düsternis, sondern mit subtilem Humor und leiser Ironie.

Fazit zum Fall:

Der fängt amüsant, aber harmlos an. Wie ein Achterbahnwagen gemächlich die erste Steigung erklimmt. Und dann geht’s los. Aussteigen unmöglich, weil das Romangeschehen den Leser bedingungslos fesselt.

Fazit zum Buch:

Mit der besonderen Erzählweise schafft Stefan Schweizer etwas, das Musik für die Augen gleichkommt.

Das ist Abwechslung auf dem deutschen Krimimarkt. Mit Potential für alle deutschsprachigen Länder. Und darüber hinaus.

Alles in allem:

Eines ist klar – Enzo Denz kommt mir wieder in die Finger. Einen so charismatischen Romanhelden in einem richtig intelligent geplotteten Krimi, der zudem sprachlicher Hochgenuss ist, das werde ich mir nicht entgehen lassen!

Das Buch hat mich in jeder Hinsicht überzeugt und als Leser der zukünftigen Fälle Enzos gewonnen.

Und einen unsichtbaren Zusatzstern für das Buch, das haptisch und optisch ein Genuss ist. Dank Gmeiner.


Erscheinungsdatum Erstausgabe : 04.02.2015
Aktuelle Ausgabe : 04.02.2015
Verlag : Gmeiner-Verlag
Flexibler Einband 312 Seiten

Sprache: Deutsch

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