Kriminalroman - Die stille Braut von Barbara Wendelken

20 Oktober 2015

Spannende Story mit einem Sahnehäubchen aus feingezeichneten Charakteren

Die seit vier Jahren vermisste, gehörlose Leona wird an einem Badesee in Martinsfehn tot aufgefunden. Die Leiche ist merkwürdig hergerichtet und erinnert an eine Braut. Leona war einst aus einem Internat für Gehörlose verschwunden. 

Nola van Herren, Kriminaloberkommissarin, übernimmt die Ermittlungen und rollt den Vermisstenfall neu auf. Dabei stellt Nola die Ergebnisse der damaligen Untersuchung in Frage, für die der heutige Revierleiter Renke Nordmann, seinerzeit verantwortlich war. Schon bald stößt Nola auf ein düsteres Geheimnis und es geschehen weitere Morde.
Diesen Kriminalroman habe ich sehr gern gelesen. Barbara Wedelken überzeugt mit einem ansehnlichen, flüssigen Schreibstil und mit einer umfangreichen, perfekt in sich harmonisierenden Handlung. In wenigen Tagen habe ich dieses mehr als 500 Seiten starke Werk verschlungen und es entwickelte sich für mich zum Pageturner. Der detailreiche Schreibstil, der mir stets ein ansehnliches Bild der Umgebung darlegte, ist so geschickt formuliert, dass ich es kaum bewusst wahrnehme, wie viele interessante Informationen da gerade in meinen Kopf fließen, die ich später Stück für Stück, wie in einem Puzzle, wieder detailliert aneinanderreihen kann. So erlebe ich ein pures Kopfkino.

Dieser Kriminalroman ist die Fortsetzung von „Das Dorf der Lügen“, den ich bisher nicht gelesen habe. Es ist auch absolut nicht erforderlich den Vorgänger gelesen zu haben, denn ich hatte nie das Gefühl, mir wären dadurch wichtige Informationen vorenthalten worden.

Ganz besonders gefallen mir die zahlreichen Figuren, die jeweils eine interessante, eigene Geschichte besitzen, ohne das die Geschichte damit überladen wäre. Zahlreich schrieb ich, ja, aber sie durchwandern die verschachtelte Geschichte stets übersichtlich und verwirren keinesfalls. Letztendlich haben sogar fast alle Leichen im Keller oder gar ein Mordmotiv.
Schwarz oder Weiß gibt es hier bei den Charakteren kaum zu finden, denn sie sind eher aus einer Mischung von unterschiedlichen Grautönen kreiert. Gern möchte ich einen Grauton wie ich ihn verstehe erläutern. Zum Beispiel gibt es Figuren, die unmenschlich, brutal und rücksichtslos durchs Leben stapfen, andere verletzten usw., aber auf der anderen Seite sind diese Figuren auch so unendlich feinfühlig, aufopfernd und sensibel, dass sie mich schon wieder berühren. Im Endeffekt löst dieses Buch einfach immer wieder verschiedene Gefühle in mir aus, die die nächste Buchseite wieder komplett über den Haufen werfen kann.

Einzelne Charaktere wurden sehr fein gezeichnet und mit Eigenschaften ausgestattet, die es mir ermöglichten,tief in ihre Seelen zu blicken, ob gut oder böse. Ganz besonders gut ist ein langwieriger Konflikt zwischen dem ehemaligen Ermittler Renke Nordmann und der jetzigen Kriminaloberkommissarin Nola van Heeren erzählt. Diese Konfliktsituationen kommen sehr authentisch rüber und sie beeindrucken darüber hinaus die Gefühlswelt des Lesers. Ich fieberte mit, wie sich das Verhältnis der beiden zueinander entwickeln würde.

Die Spannung trägt die erschreckende und realitätsnahe Handlung kontinuierlich durch die Seiten. Zahlreiche Spannungshöhepunkte, Wendungen und Verstrickungen überraschten und versorgten mich mit großer Lesefreude.
Ein sehr lesenswerter, umfangreicher und spannender Krimi mit einem Sahnehäubchen aus fein gezeichneten Charakteren und einer erschreckenden authentischen Handlung. Ich empfehle diesen Krimi sehr sehr gern.